Die Orgel in Kreischa


Die Königin der Instrumente erklingt wieder

Liebe Gemeinde,

vor Jahren entdeckte ich ein Firmenfahrzeug mit der Aufschrift „unterwegs im Dienste ihrer Majestät“. Ich fragte mich, was für ein Hoflieferant das wohl sein möge, welchen Schmuck oder exquisite Einrichtungsgegenstände er wohl herstellen würde. Es stellte sich rasch heraus: das Fahrzeug gehörte einem Orgelbauer, denn dieses Instrument trägt den Beinamen „Königin der Instrumente“.
Das liegt zum einen an der Vielfalt der Klänge, die selbst eine kleine Orgel hervorzubringen vermag: von dröhnend tief bis quietschend hoch, von kräftig bis zart, von laut bis leise; und das in allen erdenklichen Kombinationen. Hinzu kommt eine raffinierte Technik der Tonerzeugung: in einem Blasebalg, der heute elektrisch, früher durch Muskelkraft gefüllt wurde, befindet sich ein Luftvorrat. Diese Luft wird durch ein für den Laien undurchschaubares Netz von Leitungen zu den Pfeifenfüßen geleitet. Der Tasten- (oder Pedal)druck am Spieltisch wird entweder mechanisch durch Gestänge, pneumatisch über Luftdruck oder elektrisch auf Elektromagnete zu den Windladen, auf denen die Pfeifen stehen, übertragen. Damit wird ein Ventil geöffnet, das die Luft in die Pfeife strömen lässt und sie zum Klingen bringt.
Bedenkt man nun, wie alt manche Orgeln sind und wie viele Möglichkeiten es gibt, dass ein Teil undicht ist oder defekt, klemmt oder sich durch die wechselnde Raumluftfeuchte in seinem Verhalten ändert, so ist das Ertönen von Orgelmusik ein wahres Wunder. „Königin der Instrumente“ könnte dabei sogar als Anspielung auf ihre Empfindlichkeit verstanden werden.
Durch die Verbindung mit dem gottesdienstlichen Gemeindegesang steht nun praktisch in jeder Kirche im Land mindestens eine Orgel. Nicht alle sind in den Werkstätten berühmter Meister entstanden, aber sie alle tun ihren Dienst, und sie tun es im Dienste einer noch höheren Majestät: an vielen Orgelprospekten steht darum ein lateinischer Spruch: Soli Deo Gloria (Gott allein die Ehre).
Aber daran hat es in Kreischa in den letzten Monaten gehapert, denn seit März 2019 war die Königin zum Schweigen verurteilt. Verschiedene Fehlfunktionen in der elektrischen Steuerung ließen es als Vorsichtsmaßnahme angemessen erscheinen, sie außer Betrieb zu nehmen. Arbeiten an dieser elektrischen Steuerung waren ohnehin geplant. Als Ersatz kamen seitdem eine Digitalorgel „Marke Eigenbau“ sowie ein Keyboard zum Einsatz.
Dabei war klar, dass die Arbeiten im Innenraum der Kirche Vorrang haben würden. Als diese nun im Herbst 2019 beginnen konnten, hieß das für die Orgel: Ausbau des gesamten Pfeifenwerks und Einhausung des Orgelgehäuses. Die Pfeifen der verschiedenen Register wurden auf dem Kirchenboden zwischengelagert. Einige waren für die engen Stiegen zu groß, sie kamen ins Pfarrhaus.
Als dann vor einem Jahr die Kirche feierlich wieder in Gebrauch genommen werden konnte, stand die Orgel immer noch „entkernt“ und unspielbar da, nur die sichtbaren Prospektpfeifen waren eingebaut worden, damit der Anblick nicht ganz so traurig wäre. Im Frühjahr war es dann schließlich soweit: Schritt für Schritt konnten die erforderlichen Arbeiten in Angriff genommen werden: Erneuerung der verschlissenen elektrischen Bauteile, Verbesserungen am Spieltisch, Wiedereinbau aller demontierten Teile, Reinigung, Stimmung und Nachintonation.
Diese Arbeiten sind inzwischen nun abgeschlossen, und wir freuen uns, dass wir die Kreischaer Orgel zum Erntedankfest am 19.09.2021 im Gottesdienst erstmals wieder hören konnten. Ein feierliches Konzert aus diesem Anlass ist gegenwärtig in Planung.
Die Gesamtkosten dieser Maßnahme belaufen sich auf ca. 52.000 €. Da in der Vergangenheit für diesen Zweck bereits Mittel angespart wurden und wir zudem einen Zuschuss der Landeskirche erhalten, fehlen zur Finanzierung nur noch 1.300 €. Es ist unsere Hoffnung, dass dieses Loch durch die Einnahmen des Trödelmarktes am Rande des Kreischaer Jahrmarkts „gestopft“ werden kann.
Und nun hoffen wir, dass sich möglichst viele Menschen möglichst lange am Klang der „Königin der Instrumente“ erfreuen können. (17.08.2021)

Ihr Pfarrer Dr. Beyer


orgel_kreischa

Die ursprüngliche Orgel wurde 1870 vom Orgelbauer Geissler (Eilenburg) gebaut. Diese Orgel war der Kern für den ersten großen Umbau 1936 durch den Orgelbauer Barth & Boscher aus Dippoldiswalde. 1945 ist sie von Orgelbau Eule aus Bautzen ein zweites Mal wesentlich verändert, überarbeitet und umgebaut worden. Die letzte Generalüberholung hat 2009 Orgelbau Jehmlich vorgenommen.

Ihr Werden brachte den vorteilhaften Umstand mit sich, dass auf Erhalt von historischem Material wenig geachtet werden musste, so dass jeder Umbau voll und ganz auf den Klang und die leichte Spielbarkeit ausgerichtet waren. So eklektizistisch die Kreischaer Orgel also auch sein mag, so homogon ist sie doch in ihrem Klang. Über ihren liturgischen Gebrauch hinaus wird die Kreischaer Orgel auch konzertant gespielt.


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Disposition
Hauptwerk
Quintadena 16′
Prinzipal 8′
Gemshorn 8′
Rohrflöte 8′
Oktave 4′
Nachthorn 4′
Waldflöte 2′
Quinte 1 1/3′
Zink 2-3fach
Mixtur 3-4fach
Schwellwerk
Gedackt 8′
Quintadena 8′
Weidenpfeife 8′
Schwebung 4′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Nasat 2 2/3′
Oktave 2′
Terz 1 1/3′
Sifflöte 1′
Zimbel 2fach
Krummhorn 8′
Pedal
Violonbaß 16′
Subbaß 16′
Oktavbaß 8′
Choralbaß 4′
Oktave 2′
Mixtur 6fach
Posaunenbaß 16′
Spielhilfen
Manualkoppel II-I
Pedalkoppel I
Pedalkoppel II
Freie Vorbereitungen (2 Stück)
Tremulant
Schweller
Tutti
Walze
Walze ab
Koppeln aus der Walze
Automatische Pedalumschaltung
Handregister ab
Rohrwerke ab